Schritt 1: Essensverweigerung


Gewöhne dir an, den Moment abzupassen, wenn die Menschen nach Hause kommen. Das ist nicht schwer, denn Menschen sind absolut unfähig, sich leise fortzubewegen, geschweige denn, sich anzuschleichen. Im Gegenteil, sie machen Krach, wenn sie die Haustüre öffnen, lärmen rum, wenn sie Schuhe und Jacke ausziehen, und, als wäre das nicht schon genug, rufen sie dabei auch noch laut deinen Namen. Das ist dein grosser Moment! Als aufmerksame Jägerin hast du natürlich schon lange zuvor die menschlichen Schritte vor der Haustüre wahr genommen und geduldig gewartet, bis die Leute endlich im Flur stehen. Jetzt tust du aber so, als wärst du gerade erst aufgewacht (sie sollen ruhig denken, du hättest vor lauter Langeweile die ganze Zeit geschlafen. Das weckt bei ihnen ein schlechtes Gewissen, das du später bestimmt mal zu deinem Vorteil nutzen kannst). Du streckst dich genüsslich, gähnst herzhaft und streichst anschliessend laut schnurrend um ihre Beine. Dabei machst du einen niedlichen Buckel. Ich garantiere dir, die Menschen werden sich sofort entzückt zu dir herunterbeugen, dich streicheln und lauter blödes Zeug vor sich hinbrabbeln. Ich verstehe die Menschensprache zwar nicht, aber ich denke mal, sie lobpreisen uns. Jetzt trippelst du schnellen Schrittes in die Küche, nicht ohne dich immer wieder kurz umzusehen, um zu prüfen, ob sie dir folgen (was sie natürlich tun). Du maunzt dabei in der Tonlage „Hungerstufe 1“. In der Küche angekommen, streichst du um ihre Beine und stellst dich auch ein bisschen am Hosenbein hoch. Am besten steigerst du das Maunzen langsam in Tonlage „Hungerstufe 2“. Während die Menschen den Futternapf füllen, sollte sich die Tonlage in Richtung „Ich verhungere gleich!“ steigern. Jetzt hast du ihre volle Aufmerksamkeit. Die Menschen werden dir den Futternapf eiligst hinstellen und dabei selig vor sich hingrinsen, weil sie denken, dir etwas Gutes getan zu haben. Mach' jetzt bloss keinen Fehler! Du darfst dich auf keinen Fall aufs Futter stürzen. Im Gegenteil; bleibe ein paar Schritte vor dem Napf stehen, mache einen langen Hals und schnuppere vorsichtig in Richtung Futter. Dann folgt ein langer, vorwurfsvoller Blick in Richtung der Menschen (diesen Blick musst du nicht üben; er ist uns Katzen angeboren). Das selbstzufriedene Lächeln im Gesicht der Menschen verschwindet augenblicklich. Sofort machen sich bei ihnen Zweifel über die Qualität des Katzenfutters breit. Sie versuchen es zwar noch mit Tricks, indem sie schmeichelnd auf dich einreden und mit dem Finger an die Schüssel klopfen, aber du darfst jetzt nicht weich werden. Halte durch, Schwester, deine Hartnäckigkeit wird belohnt!

Am besten läufst du jetzt mit hängendem Schwanz aus der Küche. Deine Menschen werden zwar noch ein wenig zuwarten, aber nach spätestens ½ Stunde werden sie sich aufmachen und ein anderes Futter für dich hinstellen. Im Idealfall ist es dann Eines, das du besonders gerne magst. Und falls nicht, wiederholst du das Prozedere einfach. Nichts macht den Menschen mehr Sorgen als die Angst, dass wir nicht richtig essen. Wenn dann die richtige Futtersorte im Napf landet und du dich satt gegessen hast, schnurrst du wie verrückt und liebstkost deine Menschen. Das ist gut für ihr Selbstvertrauen und ihren Seelenfrieden. Ausserdem gibst du ihnen damit das Gefühl, dass sie sich gut um dich gekümmert und deine Bedürfnisse erkannt haben. So sind am Ende beide Seiten zufrieden und einem harmonischen Zusammenleben steht nichts im Wege.


Ein Tipp am Rande:

Das Futter-Verweigerungs-Spiel darfst du nicht jedes Mal abziehen, sonst kann es passieren, dass die Menschen trotzig werden und nicht mehr auf deine Wünsche eingehen. Also spiele deine Macht immer schön dosiert aus. Der Erfolg wird dir recht geben!